Eine Lebensliebe

Die Liebe zur Sprache und zum ganzheitlichen Erfassen von Menschen ist meine Lebensliebe. Als gebürtige Australierin wuchs ich in den ersten Jahren zweisprachig auf und zahlreiche, auch interkontinentale Umzüge in meinem Leben lehrten mich, stets offen und neugierig auf mein Gegenüber zuzugehen.

Das Schreiben entwickelte sich dabei zum treuen Begleiter, ob in Form des regelmäßigen Tagebuchschreibens oder in Form zahlreicher Briefe an Freunde, mit denen ich trotz Entfernung in Verbindung bleiben wollte. Bücher begleiteten mich durch diese Phasen des Wechsels hindurch und stabilisierten mich. Das Außen veränderte sich, Jim Knopf, der Lokomotivführer, blieb. Unverrückbar und treu.

Seitdem schlagen zwei Seelen in meiner Brust: die der Therapeutin, die staunend dem Wunder Mensch begegnet und die der Schreibenden und Lesenden, die die Welt durch das Wort entdeckt. Viele Jahre schien mir das ein unlösbarer Widerspruch zu sein. Entweder arbeitete ich als Ärztin oder medizinjournalistisch für eine Zeitung oder einen Verlag.

Irgendwann jedoch verschwand das Schreiben im Laufe des alltäglichen Spagates zwischen Beruf und Familie und tauchte erst wieder im Rahmen einer persönlichen Krise auf. Ohne es bewusst zu merken, schrieb ich mich damals zu mir – meine Worte waren mir dabei Stütze und Trost zugleich.

Als ich 2012 im Rahmen einer Psychotherapie- Fortbildung zum Thema Intuition in Lindau Silke Heimes und die Methode des therapeutischen Schreibens kennenlernte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Es ist das Schreiben, was heilen hilft. In dieser zärtlichen Zwiesprache mit uns selbst können wir uns berühren lassen von unseren eigenen Worten und Bildern, uns stärken und unsere Genesung unterstützen.

Somit hatte ich mein persönliches missing-link gefunden und seitdem verfolge ich diesen Weg konsequent und mit viel Herzblut weiter. Nach zwei einjährigen Ausbildungen in Poesietherapie in Berlin (bei Ingeborg Woitsch) und Hamburg (bei Leonarda Castello und Adelheid Liepelt) gründete ich 2014 eine offene, wöchentliche Schreibgruppe in der psychosomatischen Abteilung der Klinik Lahnhöhe und begann auch im Einzelsetting als Stationsärztin mit den Patienten*innen poesietherapeutisch zu arbeiten, was mich bis heute sehr erfüllt.

2019 habe ich den Masterstudiengang „Biografisches und Kreatives Schreiben“ an der ASH in Berlin mit dem Verfassen einer Masterarbeit zum Thema „Wie Worte uns nähren können “ abgeschlossen. Hierin entwickelte ich ein Schreibkonzept zur Unterstützung der Gewichtsreduktion adipöser Patienten*innen.

Dieses Studium war mein persönlicher Schreibhöhepunkt. Hier entdeckte ich die Autorin und Lyrikerin neu in mir, vernetzte mich zunehmend mit anderen Schreibtherapeut*innen und – pädagog*innen und begriff jeden Tag tiefer und tiefer den Zauber von Sprache, das Leuchten der Worte und ihren für mich so geheimnisvollen Raum dahinter.