Einträge von Hedda Lenz

Sobald nur noch das Geräusch von Wassertropfen an das Ohr dringt

Höhlen sind wie Orte außerhalb der Zeit. Erstaunlich schnell ist das Verfließen der Minuten vergessen, wenn man den letzten Schimmer Tageslicht hinter sich gelassen hat. Sobald nur noch das Geräusch von Wassertropfen ans Ohr dringt, die gelegentlich eine Felskante herabfallen, verliert das Tempo der Außenwelt seine Bedeutung: Im Lauf eines Menschenalters lassen diese Tropfen einen […]

Ziehende Landschaften

Man muß weggehen können und doch sein wie ein Baum: als bliebe die Wurzel im Boden, als zöge die Landschaft und wir ständen fest. Man muß den Atem anhalten, bis der Wind nachläßt und die fremde Luft um uns zu kreisen beginnt, bis das Spiel von Licht und Schatten, von Grün und Blau, die alten […]

Liebes-Lied

Wie soll ich meine Seele halten, daß sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie hinheben über dich zu andern Dingen? Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas Verlorenem im Dunkeln unterbringen an einer fremden stillen Stelle, die nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen. Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns […]

Das Leben einlassen

„Ich sitze wieder am Bett der Freundin, die sterben wird. Erst seit ein paar Wochen haben ihre Augen den Ausdruck der Sterbenden. Er ist wie Hunger. Aus ihrem Bett geht der Blick in Baumwipfel, dahinter Hügel. Ich sage ihr, dass sie Glück hat, in das Wiegen der Wipfel zu sehen. Sie fühlt keine Wipfel und […]

Am größten ist das Glück, wenn es winzig klein ist

„Würde sie ihr Leben aufschreiben, würde sie nur Kleinigkeiten notieren, denn am größten, findet sie, ist das Glück, wenn es winzig klein ist, wenn er sich die Schuhe bindet, wenn er schläft, wenn er ihr durchs Haar fährt. Immerzu macht er etwas mit ihren Haaren. Er hat sie schon gekämmt, er hat sie gewaschen, was […]

Ich träume mich hinein

“ Ich liege auf dem Rücken, Arme und Beine etwas abgewinkelt, die Augen geschlossen, den Mund leicht geöffnet, und lade die Luft ein, meine Lungen zu füllen; ohne den Rhythmus des Armes mit meinem Willen zu bestimmen, ohne vorher zu wissen, wie sich der Atem anfühlen wird, ohne die Wege schon zu kennen, auf denen […]